Grundsatzurteil des BGH: Prämiensparverträge – Unwirksame Zinsanpassungsklauseln
Ist auch Ihr Prämiensparvertrag von der Sparkasse unwirksam gekündigt oder über Jahre falsch verzinst worden?
Zum Ärger vieler Sparer kündigten Sparkassen in der jüngeren Vergangenheit eine große Anzahl gut verzinster Prämiensparverträge aus den 1990er Jahren. Auch die Sparkasse Osnabrück stellt hier keine Ausnahme dar.
Wenngleich diese Kündigungen auf Grundlage des BGH-Urteil vom 14. Mai 2019 (Az. XI ZR 345/18), häufig rechtens sind, so können viele Sparer dennoch durchschnittlich Zinsen in Höhe von 4.000,00 EUR für die gesamte Vertragslaufzeit nachfordern. Denn die Bankinstitute haben keine oder unwirksame Zinsanpassungsklausel verwendet, wie etwa das Oberlandesgericht Dresden in einem Musterfeststellungsverfahren entschied und der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 6. Oktober 2021 – Az. XI ZR 234/20 – bestätigte.
Prämiensparverträge mit unzulässigen Zinsanpassungsklauseln versehen
Vor allem Sparkassen und Volksbanken haben in den 1990er- und 2000er-Jahren langlaufende Sparverträge verkauft, die meisten vom Typ:
- „S-Prämiensparen flexibel“
- „VR-Zukunft“
- „Bonusplan“
- “VorsorgePlus”
Die strittigen Sparverträge verfügen in der Regel über eine steigende Bonuszahlung sowie einen variablen Grundzins mit dem das jährliche Guthaben verzinst wird.
Der Grundzins ist dabei an einen Referenzzins gebunden, der die Marktentwicklung widerspiegelt. Der Bundesgerichtshof hat solche Vertragsklauseln in mehreren Verfahren für unzulässig erklärt (vgl. etwa Az. XI ZR 361/01; Az. XI ZR 140/03; Az. XI ZR 52/08; Az. XI ZR 197/09). Im März 2017 stellte der BGH (Az. XI ZR 508/15) klar: Die entsprechende Klausel einer Sparkasse sei nicht wirksam, da Verbraucher nicht nachvollziehen können, wie sich der Zinssatz ändert. Es bestehe die Gefahr, dass die Banken die Zinsen im Vertragsverlauf nur zum eigenen Vorteil ändert.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung daher die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze für Spareinlagen mit einer ähnlichen Laufzeit, wie der des jeweiligen Sparvertrages, zugrunde zu legen. Das bedeutet: Die Verbraucher können Zinsnachzahlungen verlangen!
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. April 2020 insoweit bestätigt und die verwendeten Zinsanpassungsklausen dementsprechend für unwirksam gehalten. Zudem stellte der Bundesgerichtshof klar, dass für die Neuberechnung ein langjähriger Referenzzinssatz herangezogen werden müsse:
Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es interessengerecht, einen Zinssatz für langfristige Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen heranzuziehen.
Prämiensparverträge falsch verzinst – Sparkassen halten Kunden hin!
Vielen Kunden stehen hohe Zinsnachzahlungen aufgrund unwirksamer Zinsanpassungsklauseln zu. Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass Bankinstitute eine außergerichtliche Lösung häufig ablehnen. Die Sparer werden hingehalten und vertröstet.
So auch die Sparkasse Osnabrück, welche nicht bestreitet, unwirksame Zinsanpassungsklausel zum Nachteil ihrer Kunden verwendet zu haben. Gleichwohl weigert sich die Sparkasse eine neue Berechnung vorzunehmen, da ihr dies nicht rechtssicher möglich sei. Dank des Grundsatzurteils dürfte hierüber nun Klarheit bestehen und der Versuch, dass die Ansprüche der Kunden in der Zwischenzeit verjähren, scheitern.
Ansprüche verjähren nicht!
In der Vergangenheit hatte bereits das Oberlandesgericht Dresden und das Landgericht München I entschieden, dass die Verjährungsfrist für die Ansprüche auf Zinsnachzahlung erst mit Beendigung des Sparvertrags beginne. Dennoch beriefen sich die Bankinstitute vor Gericht auf die Einrede der Verjährung und weigerten sich, die Zinsen neu zu berechnen. Zu Unrecht, wie sich aus dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes ergibt, der wie folgt entschied:
Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Ansprüche der Verbraucher auf weitere Zinsbeträge aus den Sparverträgen frühestens ab dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung fällig werden. Die in einem Sparguthaben enthaltenen Zinsen unterliegen derselben Verjährung wie das angesparte Kapital. Das gilt auch für den Verbrauchern bislang nicht gutgeschriebene Zinsbeträge. Die Möglichkeit der Verbraucher, vor Vertragsbeendigung eine Gutschrift von weiteren Zinsbeträgen einzuklagen, bewirkt keine Vorverlagerung der Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge. Der rechtlich nicht vorgebildete Verbraucher, auf den bei der Auslegung der in den Sparverträgen getroffenen Abreden abzustellen ist, erwartet aufgrund der vertraglichen Absprache über die Zinskapitalisierung, dass die Bank die vertraglich geschuldeten Zinsen auch dann am Ende eines Geschäftsjahres dem Kapital zuschlägt, wenn er sein Sparbuch nicht zum Nachtrag vorlegt. Dieser berechtigten Erwartung widerspräche es, wenn der Anspruch auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge bei Vertragsbeendigung deswegen bereits verjährt wäre, weil der Anspruch auf Erteilung einer korrekten Zinsgutschrift nicht in einer die Verjährung hemmenden Art und Weise vom Verbraucher während der Laufzeit des Sparvertrags geltend gemacht worden ist.
Die Ansprüche sind somit in der Regel noch nicht verjährt, da die Verjährung erst drei Jahre nach Ende des Jahres einsetzt, in dem die Sparkasse den Vertrag gekündigt hat. Die Zinsen können so bis zurück ins Jahr 1994 neu berechnet werden. Für alle Kunden, die eine Kündigung ihrer Prämiensparverträge im Jahr 2018 erhalten haben, ist Eile geboten. Etwaige Ansprüche auf Zinsnachzahlungen verjähren mit Ablauf des Jahres 2021!
Sparkassen verzinsen über Jahre falsch – Machen Sie Ihre Ansprüche geltend!
Die Kunden der betroffenen Banken sollten nicht darauf vertrauen, dass diese Institute nun von sich aus und ohne Aufforderung die Zinsen zugunsten der Kunden neu berechnen. Vielmehr sollten derartige Korrekturberechnungen von einem Sachverständigen vorgenommen und die Bank zur Erstattung aufgefordert werden. Um eine erste Einschätzung, der Ihnen zustehenden Zinsen zu erhalten, bietet die Verbraucherzentrale Sachsen, eine kostengünstigen Sparvertrag Prüfung an.
Weigert sich Ihre Bank weiterhin die Zinsen neu zu berechnen, so könnte die Forderung angesichts der positiven Rechtsprechung zugunsten der Verbraucher mit Hilfe eines spezialisierten Rechtsanwaltes gerichtlich geltend gemacht werden.
Kontakformular
Haben Sie Fragen oder Anregungen?
Die Kanzlei Dillerup & Rohn Rechtsanwälte PartGmbB freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme. Hinsichtlich der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten weisen wir auf unsere Datenschutzerklärung hin.
Neueste Beiträge
- Zinsbetrug: Sparkassen rechnen Kontokorrentzinsen zu hoch ab
- Schadensersatz für negativen Schufa-Eintrag
- Beitragserhöhungen der PKV unwirksam: Fordern Sie Ihr Geld zurück!
- EuGH-Urteil: Millionen von Darlehensverträgen rechtswidrig
- Vorfälligkeitsentschädigung: Darlehensvertrag ohne Extrakosten ablösen